Was Gefühle sind, meint jeder zu wissen. Die Wissenschaft hat heute sehr interessante, differenzierte Vorstellungen über deren angeborene und erworbene Anteile. Und kaum einer ahnt, wie groß ihre Bedeutung für unsere subjektive Welt, für unsere persönlichen Bewertungen ist, wie sie unsere Stimmung, unsere Motivation, sogar unseren Charakter beeinflussen. Emotionen beherrschen unser Leben weit mehr, als man bisher annahm.
In den verschiedensten Zweigen der Neurowissenschaften und der Psychologie wurden in den letzten Jahrzehnten vielseitige Befunde erhoben, die in der Zusammenschau beweisen, dass die Emotionen nicht nur enorm große Bedeutung für unser Verhalten haben, sondern dass sie auch mit der Aktivierung der Körperfunktionen, mit der Bewertung aller Begriffe und Erinnerungen die Subjektivität unseres Denkens entscheidend bestimmen.
Es ergibt sich auch, dass Gefühle über das Phänomen der Stimmung mit den endogenen Motivationen, also den unbewussten Antrieben eng verbunden sind. So ist zum Beispiel die gute Stimmung durch eine allgemeine, also ungerichtete Motivation zur Aktivität gekennzeichnet, bezieht sich also auf jede Art von Tätigkeit. Die schlechte Stimmung dagegen lähmt jeden Antrieb, man hat zu nichts Lust. Damit ist sie der Depression gleichzusetzen oder ähnlich, die mit extremer Antriebslosigkeit gekoppelt ist
Insgesamt muss man davon ausgehen, dass es festgelegte emotionale, wissensunabhängige Systeme im Gehirn gibt, die unser Verhalten beeinflussen. Viele Psychologen diskutieren, ob die Stimmung einfach ein lang anhaltendes Gefühl ist. Sie ist andererseits aber so eng mit der Lust zur Tätigkeit verbunden, dass ich sie als einen Auslösefaktor der ungerichteten Motivation ansehe und deshalb bei den Motivationen bespreche.
1. Primäre und sekundäre Gefühle
Gefühle werden unterschiedlich definiert. In Anlehnung an Damasio sollen hier primäre und sekundäre Gefühle unterschieden werden. Die primären Gefühle sind angeboren und haben ihren Sitz in den Mandelkernen. Sie sind unter anderem mit Aktivierungsmustern der Gesichtsmuskeln und damit mit typischen Gesichtsausdrücken (Mimik) gekoppelt. Diese sind ebenfalls angeboren und daher bei allen Menschen ähnlich. So hat man zum Beispiel Fotografien, die Menschen mit dem typischen Ausdruck von Angst, Freude usw. abbilden, in der ganzen Welt herumgezeigt. Die dargestellte Emotion wurde bei allen Völkern richtig erkannt. Primäre Emotionen haben eine große Bedeutung für die Empathie (s. u.).
Es gibt vermutlich sechs primäre Gefühle: Angst, Wut, Freude, Trauer, Überraschung, Ekel. Das biologisch wichtigste Gefühl ist die Angst. Sie hilft zu überleben, indem sie im Rahmen des Alarmsystems die Körperkräfte in Bruchteilen einer Sekunde zweckgerichtet koordiniert und mobilisiert, spürbar z. B. am Herzklopfen durch erhöhten Blutdruck und höhere Herzfrequenz. (Gefühle sind viel schneller als das Denken, dafür aber auch weniger genau.) Vermehrte häufige Angst kann über die Stressreaktion allerdings auch Körperschäden verursachen, sogar im Gehirn selbst (s. Burnout-Syndrom).
Die Gefühle wie: “Das liegt mir, das liebe ich.” oder “Das mag ich nicht, das verabscheue ich” sind andererseits offensichtliche Beispiele für die Bewertungsfunktion der Gefühle. Alle Erinnerungen, alle Begriffe, alle Gedanken werden, soweit sie die Person auch nur geringfügig berühren, mit sogenannten “emotionalen Markern” (Damasio) versehen. Mit diesen Markern bewerten wir zum Beispiel alle Nahrungsmittel, alle Gegenstände des täglichen Gebrauchs und alle Mitmenschen, die irgendeinen Bezug zu uns haben. Der Vorteil dieser emotionalen Klassifizierung für das Vermeiden von Gefahren und damit für das Ãœberleben ist offensichtlich. Denn sowohl die individuellen Erfahrungen gehen hier massiv ein als auch die durch die soziale Umwelt gelehrten Ansichten und Werturteile,
Für den Menschen bedeuten die ubiquitären Etiketten aber auch, dass er in der Regel subjektiv denkt. Denn immer, wenn er etwas beurteilt oder wenn er gar etwas entscheidet, gewichtet er die Argumente mit seinen emotionalen Markern, also zu seinem persönlichen Vorteil oder wenigstens seiner individuellen Einschätzung. Und wenn die Intelligenzfunktion bei Entscheidungen immer diejenigen Argumente präsentiert, die den größten Vorteil oder den geringsten Nachteil versprechen, dann bedeutet das auch, dass er immer egoistisch denkt und handelt, solange er nicht bewusst oder mittels erlernter Einstellungen gegensteuert.
Abb. 1: Emotionale Marker: Dem rationalen Gedächtnisinhalt (hellgelb), der über eine Konvergenzzone des Hippokampus aus den jeweiligen Abspeicherungsorten (der Großhirnrinde) präsentiert wird, wird immer eine emotionale Bewertung (hier Ärger; blau hinterlegt) aus der Amygdala hinzugefügt, sobald das Individuum zuvor eine gewisse persönliche Beziehung zu dem Inhalt entwickelt hatte. Es kann sich um Begriffe, Personen oder Ereignisse handeln. In dieser Kombination wird der Gedanke von der Intelligenz (in Konvergenzzonen des Präfrontalhirns, dunkel gelb hinterlegt) z. B. bei Entscheidungen behandelt und dient dann als Grundlage für Handlungen. Alles Denken mit derart markierten Begriffen oder Erinnerungen wird notwendig subjektiv und dient dem eigenen Vorteil. Es ist weise, diese persönlichen emotionalen Bewertungen zu hinterfragen. Man kann sie korrigieren.
Es gibt eine erhebliche Abhängigkeit der Leistung eines Menschen von seinen Emotionen. Jeder kennt das von schlechter Laune. Die nächste Abbildung zeigt die Abhängigkeit der Leistung von der Angst, die zum Beispiel ein Schüler vor der Schule oder vor dem Lehrer hat. Die meisten sogenannten “Flüchtigkeitsfehler”, die das Kind zu Hause nicht machte, die aber in der Stresssituation der Klassenarbeit passieren (wo ja eigentlich höchste Konzentration herrscht), sind so zu erklären. Die Leistungssteigerung bei leichter Angst versuchen oft auch die Arbeitgeber in ihren Betrieben zu nutzen: Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder auch nur der Zuneigung des Vorgesetzten, Angst vor Schließung oder Verlagerung des Betriebes usw.
Abb.2: Ambivalenz der Emotionen bezüglich der Aktivität und der Leistung: leichte Angst erhöht die Aktivität und damit auch die Leistungsfähigkeit. Jeder Lehrer oder Arbeitgeber nutzt das in Form leichter Drohungen: Keine Versetzung in die nächste Klasse, keine Gehaltserhöhung etc. Aber: größere Angst steigert die Zahl von Fehlern, ganz große Angst kann zu einem “Block” führen (Examensblock: auch leichte Antworten fallen dem Prüfling nicht mehr ein. Grund ist eine affektive Denksperre.) Wenn Emotionen stärker werden, beeinträchtigen sie die Funktion des Verstandes. Das gilt nicht nur für die Angst. Auch starke Wut oder Liebe machen "blind". Chronische starke Emotionen können zu psychosomatischen (heute: psycho-physischen) Erkrankungen führen. Es gibt starke individuelle Unterschiede. Die punktierte Linie repräsentiert eine sehr sensible Persönlichkeit, die schon bei leichter Angst Fehler macht. Die mit gestrichelter Linie charakterisierte Persönlichkeit reagiert kaum emotional: idealer Rennfahrer oder Pilot.
Sekundäre Gefühle entstehen, wenn Erfahrungen und Traditionen und andere rationale Faktoren hinzukommen. Dann kann man außer Freude auch Schadenfreude oder Nationalstolz verspüren oder als Mischung von Wut und Ekel auch Abneigung oder Fremdenhass. Die Abbildung soll das verdeutlichen.
Abb. 3: Bildung komplexer Gefühle. Linke untere Ecke: Ein Sinnesreiz z. B. aus dem Auge führt (nach einer hier nicht dargestellten Umschaltung im Thalamus) im Gehirn einerseits zu einer ersten Beurteilung der gesehenen Situation und andererseits zur Auslösung eines (primären) Gefühls in den Mandelkernen, hier zu Freude auf den Freund. Letztere veranlasst sofort (sehr schnelle Alarmfunktion als primäre biologische Aufgabe) eine Aktivierung von Organbereichen im Körper, die für eine angemessene Reaktion notwendig sind (Kreislauf, Herzschlag, Blutdruck, Muskeltonus: Rechteck rechts unten). Die so ausgelösten "peripheren" Organantworten werden, wenn sie wirksam werden, sofort zum Gehirn zurückgemeldet und verändern dort das Körpergefühl. Es resultieren entsprechende Empfindungen, die die ursprüngliche Freude modifizieren. Parallel dazu wurden vom Denkapparat aus der Erinnerung frühere, vergleichbare Situationen aufgesucht (rechts oben). Die ihnen anhaftenden Marker mit den damaligen sekundären Gefühlen werden der jetzigen Gefühlsszene beigemischt. Es entsteht ein neues sekundäres Gefühl (nach Damasio). Dieses Emotionsgemisch, das zur aktuellen Situation gehört, wird als “Marker“ mit dieser abgespeichert (oben Mitte) und kann später zusammen mit eben dieser Situation wieder aus dem Gedächtnis erinnert und produziert werden.
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2. Empathie: die Gefühle des anderen verstehen
Empathie bedeutet, sich in einen anderen Menschen einzufühlen, um dessen Gefühle verstehen zu können. Die Funktion bedient sich ganz wesentlich der Spiegelzellen, die man hauptsächlich im motorischen System des Gehirns gefunden hat. Sie formen einerseits den mimischen Gesichtsausdruck im Zusammenhang mit eigenen Gefühlen (auf angeborener Basis s. o.). Wenn man bei einem anderen Menschen Gefühlsreaktionen bemerkt, imitiert man automatisch dessen mimischen Ausdruck (zu erkennen bei Kindern im Kasperletheater oder bei Erwachsenen in unbeobachteten Augenblicken z. B. im Kino). Indem man die Mimik des anderen nachmacht, können die Spiegelzellen in rückläufiger Nutzung der Nervenbahnen die zu dieser Mimik zugehörigen Gefühle konstruieren, man spürt sie nun auch und versteht sie. Die Imitation des mimischen Ausdrucks des Gegenüber kann der Erwachsene vermutlich auch virtuell, also ohne Muskelbeteiligung durchführen.
Abbildungserklärung 4: Alle primären Gefühle sind mit spezifischen mimischen Äußerungen gekoppelt.Bei der Generierung derselben ist weder der Verstand (grau hinterlegt) noch das Gefühlszentrum zwischengeschaltet. Das prämotorische Zentrum veranlasst die Körpersprache (durch die motorischen Zentren der Hirnrinde, ganz unten) direkt, sozusagen sofort automatisch (ganz links blauer Pfeil). Vom prämotorischen Zentrum aus wird dann auch das Gefühlszentrum informiert: Man “fühlt” nun auch, z. B. den Ekel. Wenn dieser Mensch später bei einem anderen Menschen den Ausdruck des Ekels sieht (rechte Hälfte der Abbildung), veranlasst sein Sehzentrum automatisch über die gleichen, daher “Spiegelzellen” genannten Nervenzellen seines prämotorischen Zentrums (grüner Pfeil ganz rechts), dass er auch eine derartige Mimik ausbildet. Von seinem prämotorischen Zentrum aus wird dann ebenfalls das Gefühl “Ekel” erzeugt (nachgeahmt), also gewissermaßen das Gefühl des anderen gespiegelt. Man fühlt über die mimische Zwischenstation das Gefühl des anderen und kann es dann auch verstehen.
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3. Nonverbale Kommunikation
Man schätzt, dass bis zu 90% der Information bei einem alltäglichen Gespräch (jedenfalls bei Smalltalk) ohne Worte übertragen wird. Mittler ist die Körpersprache, speziell die Mimik, aber auch der Ton und die Wortwahl. Nach F. Schulz von Thun werden meist drei verschiedene Mitteillungen bei jedem Satz mitgesendet. In der folgenden Grafik will ich das verdeutlichen:
Abb. 5: Körpersprache ergänzt die verbale Information.Wenn ein Gesprächspartner den gelb hinterlegten Satz ausspricht (kognitive Äußerung), kann er noch eine Selbstoffenbarung über seine eigenen Gefühle, eine Beziehungsbotschaft über das Verhältnis zwischen ihm und dem Zuhörer und letztlich auch einen aufmunternden Appell vermitteln. Der Empfänger der Botschaft sollte ihn dabei anschauen, um die Gesamtnachricht richtig verstehen zu können. Daher sind persönliche Gespräche am Telefon schwieriger zu führen, wenn man sich nicht sehr gut kennt. Kennt man den Gesprächspartner gut, sind viele der emotionalen Zusatzbotschaften auch aus Tonlage, Lautstärke usw. zu entnehmen. In einem Brief würde der Sender mehrere Sätze schreiben müssen.
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Sympathie
Empathie ist eine wesentliche Voraussetzung für Sympathie. Man fand heraus, dass Menschen, die vielen anderen Menschen immer sofort sympathisch waren, die Fähigkeit hatten, sich blitzschnell auf die Gefühlslage des Gegenüber einzustellen (mit der Empathie!). Sympathie beruht weitgehend auf Gleichklang der Gefühle. Laboruntersuchungen zeigen, dass dann auch eine Reihe von körperlichen Reaktionen wie Blutdruck, Puls und Schweißsekretion synchronisiert sind und sich bei beiden Gesprächspartnern entsprechend dem Emotionsgehalt der Gesprächsthemen parallel verändern.
Ferner wirken fröhliche Menschen auf die meisten anderen eher sympathisch.
4. Synopsis der Emotionen
Wir haben einige emotionale Systeme kennengelernt: Das Bewertungssystem mit den sog. emotionalen Markern dient dem Eigenbedarf und ist egoistisch, also für den eigenen Erfolg dienlich. Ganz wesentliche Bedeutung hat es auch für die Organisation von Körperfunktionen in Standardsituationen, also Angriff aus Wut oder Flucht bei Angst. In bewertendem Sinne dienen auch die sekundären Gefühle, aber sie sind erlernt und viel differenzierter. Insbesondere geht die eigene Erfahrung und der Rat wichtiger Mitmenschen ein. Für letzteres ist daher eine zusätzliche Reihe eingefügt. Stimmungen und angeborene Bedürfnisse werden wir im Kapitel “Motivationen” besprechen.
Abb. 6: Unbewusste Informationen zu Körperzustand und Erfahrungen:
- Das Bewertungssystem (emotionale Marker) subjektiviert alle Erfahrung, indem es sie mit dem schon früher erlebten Körperzustand verbindet. Alle künftige Orientierung wird dadurch erleichtert (oberste Zeile).
- Die primären Gefühle spiegeln den aktuellen Aktivierungsstatus des Organismus, den die zugrunde liegenden primären Emotionen zunächst organisiert haben. Sie zeigen damit aktuelle Gefahr oder Freude oder anderer grundsätzliche Umstände an.
- Die sekundären Gefühle (dritte Zeile) quantifizieren den emotionalen Zustand genauer und in Bezug auf aktuelle, kognitiv beurteilte Umstände. Die Erinnerung an frühere vergleichbare Gefühlszustände kann mit einfließen. Erlernte Urteile und Einstellungen gehen mit ein.
- Mit der vierten Zeile sind Einstellungen angesprochen, die sich auf der Basis von Erfahrung und Gelerntem gebildet haben und subjektiv gewertet sind. Sie beeinflussen ganz entscheidend das Handeln.
- Stimmungen können als ein Auslösemechenismus von ungerichteten Motivationen, also der Lust zum Handeln angesehen werden. Das allgemeine Körpergefühl (Krankheitsgefühl) und andere innere Parameter fließen ebenso mit ein wie äußere Beeinflussungen und gedankliche Erkenntnisse, Erinnerungen, Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse.
- Angeborene Bedürfnisse in der 6. Zeile motivieren gerichtet zur Aktivität. Sie werden durch Auslösemechanismen gestartet, die als Sollwerte aufgefasst werden können. Äußere Umstände, Ermüdungszustand, kognitive Reaktionen (Verärgerung, Enttäuschung) können starken Einfluss ausüben.
5. Gefühle im Alltag, in der Dichtung, in der Philosophie
Die Neurowissenschaft hat gezeigt: Mittels der Empathie kann man seine Gefühle dem anderen prinzipiell mitteilen. Das geht gewissermaßen automatisch. Wie weiß ich aber genau, wie der andere fühlt, etwa bei einem Sonnenuntergang oder in einer Schlüsselszene eines Romans? Oder beim Anblick eines Gemäldes? Was spürt er bei der Farbe rot, wie sieht er sie überhaupt?
Mit den Mitteln der Sprache kommt man hier nicht wirklich weiter, und Vergleiche taugen nicht: “Wie das rote Auto des Nachbarn.” Aber wie sieht er das? Die an sich so mächtige Kommunikationsmöglichkeit des Menschen gegenüber der der Tiere kommt hier an ihre Grenze.
Gefühle, Empfindungen bis hin zu Träumen werden in der Poesie wie in der Religion nicht selten als eine Brücke zu einer jenseitigen oder höheren Welt gesehen oder dort sogar lokalisiert. Dem kommt entgegen, dass die Vertreter der Naturwissenschaften oft selbst unsicher sind und damit den Argumentationen der Philosophie in die Hände spielen.
Die Bemühungen der Naturwissenschaften, das Wesen von Gefühlen und deren Entstehen, wie das oben in Abb. 3 versucht wurde, erscheinen manchem als zu plump. Immerhin, Gefühle sind eine Art Urphänomen des Gehirns, das es dort entwicklungsgeschichtlich schon lange und wahrscheinlich schon bei sehr primitiven Tieren geben dürfte. Man denke an das Ermüdungsgefühl, das aus dem Zustand der betroffenen Organe abgeleitet werden muss. Es war schon immer auch für alle Tiere überlebenswichtig. Es wird im im Zentralnervensystem generiert und dort auch empfunden. Spezielle neurologische Sensoren und Leitungsbahnen sind (noch) nicht bekannt, Zentren der Verarbeitung durchaus.
Man hat zur Erklärung des Entstehens von Gefühlen wie auch mancher anderer Phänomene im Gehirn den Begriff der Emergenz bemüht. Man erklärt dieses Phänomen am Beispiel der Eigenschaften von Wasser (H2O). Die Eigenschaften der beiden Gase, Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) sind erschöpfend bekannt. Wenn aber aus der Vereinigung der beiden Wasser (H2O) gebildet wird, entstehen völlig neue Eigenschaften, die aus den Eigenschaften der Konstituenten nicht abgeleitet werden können. Eine (mühsame) Erklärung gelingt erst unter Zuhilfenahme der Atomphysik (Bahnen der Elektronen etc.), die ihrerseits aber die menschliche Vorstellungskraft übersteigt. (Eine naturwissenschaftlich fundierte Übersicht über die Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit hat E. P. Fischer vorgelegt.)
Es könnten also in den neuronalen Netzwerken des Gehirns, wenn sie sehr komplex werden, auch emergent völlig neue Phänomene wie eben Gefühle oder Bewusstsein oder gar Intelligenz entstehen. Man wäre dann zunächst der Notwendigkeit einer genaueren Erklärung enthoben. Die Mehrzahl der Neurowissenschaftler lehnt derartige Erklärungsversuche aber ab. Sie akzeptieren ja auch nicht die Annahme irgendwelcher übernatürlicher Einflüsse.
Psychologisch gesehen ist das Kausalitätsbedürfnis des Menschen wichtig und erfreulich, In einer Welt allerdings, in der die Physik nahezu keine der wichtigen Grundeigenschaften des Kosmos wie das genaue Wesen von Zeit, von Schwerkraft oder von Magnetismus zu erklären vermag, mag auch das letztliche Zustandekommen von alltäglichen zerebralen Phänomenen geheimnisvoll bleiben.
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